TennisFun: Das Match des Lebens

Das Match meines Lebens

Jeder von uns hat in seinem Tennisleben ein Match gespielt, an das er sich gern, nicht so gern oder auch überhaupt nicht gern zurückerinnern möchte.

Überhaupt nicht gibt es aber überhaupt nicht, deshalb wird an dieser Stelle gestartet mit dem „Match meines Lebens“. Ob gern oder nicht gern, ob Deichliga, Landesliga, Bundesliga oder noch höher oder tiefer, die Spielstärke hat nichts zu sagen, nur die besonderen Umstände dieses einen Matches sollen hier veröffentlicht werden.

Schreibt dem TennisFan an tennisfan@live.de, was passierte und warum Ihr dies immer in Erinnerung behalten werdet. Z.B. die nervigen Allüren des Gegners, die eigenen Unzulänglichkeiten nach hoher Führung, das Wetter, der Schiedsrichter, die gegnerischen Eltern, den entscheidenden Punkt beim Medenspiel für die Mannschaft geholt oder was auch immer. Ob ihr dieses Match als Tragödie oder Komödie gesehen habt, beschreibt es, wie ihr es empfunden habt. Wenn dann obendrein 1-2 Fotos mitgemailt werden, wäre dies perfekt. Die Serie startet in dieser Ausgabe mit meinem „Match meines Lebens“.  (Thies Röpcke)

Es ist bereits eine ganze Weile her, und wenn ich gewusst hätte, dass es das Match überhaupt sein sollte, wäre meine Tennislaufbahn schon mit 20 Jahren beendet gewesen, wenn man denn auf dem Höhepunkt abtreten sollte.

Dabei war es nicht einmal ein Sieg.

Australian Open in Melbourne. Ich hatte mich u.a. mit einem Dreisatzerfolg gegen den Lokalmatador und mehrfachen Grand Slam Doppelsieger Paul McNamee für das Hauptfeld der Australian Open qualifiziert und wartete gespannt auf die anstehende Auslosung. Nun ging ich nicht davon aus, dieses Grand Slam Turnier gewinnen zu können, aber ich war gut drauf und dachte, einigen im Feld ein paar Bälle zurückspielen zu können.

In den Vorbereitungsturnieren in Adelaide, Brisbane und Perth hatte ich mich jeweils qualifizieren können und gute Ergebnisse erzielt. Immerhin wurde die Australienserie damals noch auf meinem Lieblingsbelag Rasen gespielt und die australische Hitze machte mir im Schatten überhaupt nichts aus.  

Ankunft Melbourne Airport mit den beiden Franzosen Dennis Nägelen und Jean Francois Caujolle

Es war auf jeden Fall ein tolles Gefühl: meine ersten Australian Open und dann gleich im Hauptfeld. Für meinen Gegner waren es auch die ersten Australian Open, nur dass er sich nicht zu qualifizieren brauchte, sondern obendrein gleich hinter John Newcombe, Jimmy Connors und John Alexander an Position Vier gesetzt war. Es war kein Geringer als Björn Borg. Die Nacht vor dem Match ließ mich nicht so ruhig schlafen wie sonst.

Das Brimborium, das nach Borg’s Ankunft in Melbourne ablief, war zu den damaligen Zeiten etwas ganz Neues. Kreischende Teenager beim Training, die ersten Security’s der Tennisgeschichte und die Presse überschlug sich mit Lobeshymnen auf den bereits als kommenden Meister aller Zeiten eingestuften Schweden. Gegner inklusive meiner Wenigkeit gab es eigentlich nicht mehr, evtl. wurde man großzügigerweise wenigstens noch als Opfer bezeichnet.  

Na ja, irgendwie überstand ich die Nacht, schlug mich am nächsten Morgen mit meinem Kollegen Uli Pinner ein und wartete, was denn so passieren würde. Immerhin schlug Borg sich vor Hunderten von Teenagern auch ein, nahm mich also, wie ich mir einredete, nicht auf die leichte Schulter, sehr beruhigend. Es gab natürlich nie ein Match von Borg, ohne dass er sich vorher einschlug.

Gerade wollte ich zu Uli sagen, dass ich selten einen fitteren Spieler gesehen hätte, als der so nebenbei meinte: „Überhaupt kein Problem, der macht doch einen ganz müden Eindruck, den machst du weg.“ Das hatte er allerdings vor zwei Wochen schon einmal von sich gegeben, als wir beide in Brisbane gegen das damals weltbeste Doppel John Newcombe/Tony Roche antreten mussten. Originalton: „Nur zwei ganz müde alte Säcke, die machen wir weg.“ So müde kamen mir die beiden australischen Altstars auf der anderen Seite des Netzes gar nicht vor, das Ergebnis tut hier nichts zur Sache.  

Das Match gegen Borg war für 14 Uhr auf dem Center Court angesetzt, was meine Nervosität nicht weniger werden ließ. Gegen 13:45 Uhr dachte ich mir, mach jetzt keinen Fehler, hol deine Schläger aus der Kabine, schleich dich in Richtung Platz und sieh zu, wie du schnell wieder davon runter kommst.

Mein Timing war geradezu perfekt, war man in eben dieser Umkleide bereits ziemlich nervös, weil ich angeblich auf der ganzen Anlage nicht auffindbar war. Es wimmelte von Offiziellen, dem Schiedsrichter und vor allem dem Master of Ceremony, der mich aufklärte, wie denn nun der „Einmarsch“ in den folgenden Minuten abzulaufen hätte, dabei war die Queen gar nicht anwesend. So ein Schreck, gerade war meine Nervosität am Schrumpfen und dann dies. Kurzes Handshake mit Borg, zwei Balljungen packten sich unsere Schläger, bauten sich vor uns auf und los ging es.

Auszugehen war davon, dass die acht Mann von der Security, die es damals offiziell noch gar nicht gab (es gab sie aber), nicht meinetwegen anwesend waren. Jedenfalls dauerte der ca. 50 Meter lange Weg zum Center durch die besagten Teenies hindurch schon eine Weile und Borg lächelte die ganze Zeit ruhig vor sich hin. Das konnte ja heiter werden. Umkehren war jedenfalls nicht mehr drin.

Auf dem Platz empfingen uns dann zum Glück auch nur etwas über 12.000 Zuschauer, was mich ziemlich beruhigte. Die Balljungen hatten keinen Schläger unterwegs an die Fans verschenkt und nach dem Einschlagen waren nicht nur auch die letzten Zuschauer da, sondern auch wieder meine Nervosität. Vor über 12.000 Zuschauern spielt man ja nun nicht alle Tage, allerdings war der Blick in die Tribünen schon beeindruckend. Nicht nur mir war sehr heiß an dem Tag, die Temperaturen betrugen ca. 33 Grad im Schatten unter der Eisbox am Schiedsrichterstuhl, die Meisten der Zuschauer trugen weiße Cappies zum Schutz vor der Sonne, und die Bälle hatten das Glück, bis zu ihrem Einsatz in der Eisbox verweilen zu dürfen.

Über die Lautsprecher wurden wir während des Einspielens vom besagten Master of Ceremony vorgestellt, und ich fand, dass ich ein wenig arg kurz dabei wegkam.

Ach ja, das Match wurde live im australischen TV übertragen, und ich schaute mir abends die Wiederholung an. Eine bodenlose Frechheit, was ich da zu sehen bzw. zu hören bekam. Erdreistete sich doch der Kommentator zu der Aussage: „G’day mates, wir übertragen jetzt den lang ersehnten ersten Auftritt des schwedischen Superstars. Er spielt gegen, äääääh, äääääh, einen Moment, wo sind meine Unterlagen? Genau, gegen Theis Ropcee from Germany, whoever he is. Wir gehen davon aus, dass dies nicht allzu lange dauern wird und sind dann gleich mit dem Match zwischen Jimmy Connors und Jean Loius Haillet zurück.“   

Hätte ich dieses „whoever he is“um 14 Uhr auf dem Platz gehört, der Balljunge hätte meine Schläger gleich wieder zurücktragen bzw. behalten dürfen.

Wenn ich heute etwas über Borg lese, muss ich immer an diesen Fernsehreporter und seinen Kommentar denken.

Nach der Ansage des Schiris „Gentleman, this match will be the best of three sets, no Tiebreak in the third, Borg won the toss and elected to recieve“ ging es dann endlich los und nach einer Weile wunderte ich mich, nicht nur nicht hinten zu liegen, sondern sogar nicht schlecht zu treffen und im Besonderen sogar vorne zu liegen. Die Teenies wurden spürbar leiser, oder wechselten da zwei auf meine Seite? Kein Aufschlagverlust bis zum Tiebreak des ersten Satzes und in diesem fabrizierte Borg, der nervöser schien als ich es war, drei Doppelfehler. 7:6 für Theis Ropcee from Germany, whoever he is.

Aus den Augenwinkeln sah ich Borgs Coach, Lennart Bergelin, unruhig in seiner Box hin und her wippen, vermutlich überlegte er bereits, den nächsten SAS Flug zurück nach Stockholm zu buchen und Borg einige Tage durch die schwedischen Wälder zu scheuchen.

Mein Coach jedenfalls war die Ruhe selbst. Das lag sicherlich daran, dass er nicht vor Ort war, sondern in Hamburg vermutlich noch selig schlummernd in Morpheus Armen lag.

Der zweite Satz begann mit einem Break für mich und nach 15 Minuten lag ich 3:1 und bei Aufschlag Borg 0:40 vorn. Ich denke, zwei Breaks hätte Borg an diesem Tag nicht aufgeholt, nicht auf Rasen. Beim Stand von 3:2 und 0:30 kamen noch zwei lichte Momente, ich schlug beide Male gut auf und Borg brachen bei seinen Returns jeweils die Schläger, was ihn veranlasste, diese in Marcos Baghdatis/Marat Safin Manier gänzlich zu zerlegen. Machte ja nichts, sie waren bereits Bruch und Strafen für „Missbrauch des Materials“ kamen erst später in Mode.

Dass dem großen Meister aber seine Schläger durch meine Aufschläge abhandenkamen, erheiterte das Publikum und sogar diesen Ignoranten von Kommentator. Das Match musste nicht wegen Materialmangels abgebrochen werden, da Borg doch ein paar weitere Schläger dabei hatte und die hielten, was die Slazenger Werbung im TV versprach.  3

Jedenfalls war ich einer seiner letzten Gegner, die kurzfristig von seinen Wutausbrüchen profitierten. In der Zukunft nervte es ja bekanntlich nur noch die Gegner, wie emotionslos der IceBorg sich auf dem Platz präsentierte.

Lange Rede kurzer Sinn, Borg gewann mit neuem Material 6:7, 6:3, 6:1 gegen den whoever he is. Uli Pinners Kommentar: „Na, hast du dir bei der Führung in die Hose gemacht?“ Immerhin hatte ich abends meine späte Genugtuung, den vom Fernsehen angedachten Zeitplan ein wenig durcheinandergebracht zu haben.

Immerhin gingen bei Björn einige Schläger zu Bruch

Auf der einen Seite war ich froh, heil aus der ganzen Angelegenheit herausgekommen zu sein, auf der anderen trauert man der vergebenen Chance eine ganze Weile nach. Besonders vor dem Hintergrund, dass der Gegner der nächsten Runde, Marcelo Lara aus Mexiko, verletzungsbedingt nicht antreten konnte und Borg kampflos die letzten 16 erreichte. Das Achtelfinale bei den Australian Open wäre im Nachhinein nicht so schlecht gewesen. Jimmy Connors gewann im Übrigen das Finale in vier Sätzen gegen Phil Dent, der Björn Borg im Achtelfinale eine ziemlich deutliche Rasenklatsche verpasste. Er hatte sich wohl noch nicht so richtig von unserem Match erholt.